Eigentlich sollte es kein Problem sein, ein Ticket fürs Eidgenössische in Mollis zu ergattern: Die Arena fasst ja 56'500 Plätze. Aber an Tickets zu kommen, ist schwierig. Sehr schwierig sogar. Wer das ganz besondere Vertriebssystem nicht kennt, hat praktisch keine Chance, an ein Ticket heranzukommen.
Wer hingegen das System durchschaut, kann es «überlisten» und wird mit ziemlicher Sicherheit eine der begehrten eidgenössischen Eintrittskarten ergattern. Aber nur mit gut zweijähriger Vorbereitung. Das ist halt der eidgenössische Ticket-Wahnsinn.
Von den 56'500 Tickets gelangen nur exakt 4000 in den offenen Verkauf, übers Internet. «Als wir im Mai den Verkauf aufgeschaltet hatten, waren nach einer Viertelstunde alle 4000 weg», sagt Rolf Gasser, der Verbands-Geschäftsführer im Vorruhestand mit jahrelanger Erfahrung in dieser Sache. Seit 2013 (Burgdorf) läuft der Verkauf übers Internet.
Aber wohin gehen dann die restlichen 52'500 Eintrittskarten? 34'000 liefert der Eidgenössische Schwingerverband (er hat die Hoheit) an seine angeschlossenen Schwingklubs aus. Die verkaufen die Tickets an ihre verdienstvollen Mitglieder.
Inbegriffen in diesen 34'000 Tickets sind auch die Eintritte der Verbandsfunktionäre, der Ehrenmitglieder und der Schwingerkönige. Rolf Gasser führt aus: «So stellen wir sicher, dass der grösste Teil der Tickets in unserer Schwinger-Familie bleibt. Wer am Schwingen interessiert und nicht einfach ein Modefan ist, der kann sicher sein, dass er auf diesem Weg zu seinen Tickets kommt.»
18'500 Karten gehen an die verschiedenen Direktbeteiligten des eidgenössischen Hosenlupfes. Und das sind bei einem Anlass mit einem Budget von mehr als 40 Millionen Franken halt viele: Einerseits die Ehrengäste des Verbandes und des Organisationskomitees, Landbesitzer, Dienstleister, VIP-Gäste (Politikerinnen und Politiker, Behörden-Vertreterinnen und -Vertreter aus Gemeinden, Kantonen, Bund und Armee) und halt an die Sponsoren, die wiederum ihre Gäste einladen. Es ist der Preis, der für die Kommerzialisierung bezahlt werden muss.
Wenn wir dieses System kennen, haben wir die Möglichkeit, es zu überlisten und an ein Ticket zu kommen. Hier gilt erst einmal der Grundsatz: Gute Beziehungen schaden nur jenen, die keine haben. Zwei Wege führen nach Glarus oder in drei Jahren ans Eidgenössische nach Thun.
Ein Weg führt über die Wirtschaft: Wer Geschäftsbeziehungen mit einem Unternehmen pflegt, das sich beim Eidgenössischen als Sponsor engagiert oder jemanden aus der Direktion der Firma kennt, hat gute Chancen, ein Ticket zu bekommen. Vielleicht sogar gratis.
Der andere und wohl sicherste Weg führt sozusagen übers Wirtshaus. Es ist allerdings ein langer Weg und es gibt «Wegzoll» zu entrichten. Das grösste Kontingent – 34'000 Tickets – wird den 170 Schwingklubs überlassen. Sie verkaufen sie in allererster Linie an Frauen und Männer, die etwas für ihren Klub und die Pflege der Sägemehl- und Zwilchhosen-Kultur tun. Sich also durch Tat zum Schwingen bekennen.
Die Klubs melden jeweils dem Verband, wie viele Tickets sie benötigen. Der Verband erstellt seinen Verteilschlüssel prozentual nach der Anzahl der Schwinger und Jungschwinger. Rolf Gasser sagt, dass es in der Regel möglich sei, die gewünschte Anzahl zu liefern.
Wer nun spätestens zwei Jahre vor dem Eidgenössischen gute Beziehungen zu den Vertreterinnen und Vertretern des Schwingklubs in der Nähe aufbaut, am Stammtisch die Schwingerei rühmt, mal gezielt eine Runde spendiert, wenn der Klubpräsident oder die Klubsekretärin mit am Tisch sitzen, fürs Klubschwinget einen Preis von ein paar hundert Franken spendiert, aktiv am Bratwurst-Stand, beim Aufbau oder Abräumen der Festwirtschaft hilft, wer mal im Kluborgan ein Inserat schaltet oder gar einen Klub-Trainingsanzug oder neue Zwilchhosen sponsert, kann sicher sein, dass er dann auch mit zwei oder drei oder gar noch mehr Tickets fürs nächste Eidgenössische belohnt wird. Das kostet neben dem Ticketpreis (290 Franken kostet das teuerste für Mollis) halt ein paar Hunderternoten zum Wohle des Schwingklubs.
Aber gibt es nicht auch eine Abkürzung über den Schwarzmarkt? Gasser sagt, den gebe es. «Aber dagegen können wir rechtlich nichts unternehmen.» Tatenlos bleibe der Verband in der Sache allerdings nicht. «Wenn wir beispielsweise sehen, dass auf einer Onlineplattform Tickets zu überrissenen Preisen angeboten werden und die betreffende Person ist Mitglied eines Schwingklubs, dann greifen wir ein.» Es gebe zwar keine Sanktionen. «Aber wir kontaktieren die Person, weisen darauf hin, dass wir das nicht tolerieren und dass es fürs nächste Eidgenössische unter diesen Umständen für den Klub weniger Tickets gebe.»
Und was ist mit Fälschungen? Da ist Rolf Gasser zuversichtlich. Es sei sehr schwierig, die Tickets zu fälschen. «Der Hersteller hat die Tickets so weit wie möglich fälschungssicher gemacht.» Es wird also wesentlich einfacher sein, zu später Stunde in Mollis bei schummrigem Licht an der Bar mit einer fotokopierten Hunderternote zu bezahlen, als eine Eintrittskarte zu fälschen.
Personifiziert sind die Tickets nicht. Ein Geheimtipp sei verraten, der offenbar in der Vergangenheit schon funktioniert hat: In einer Metzgerberufskleidung mit einer Ladung Bratwürste in der Blechwanne geschäftig, fast gehetzt und zielsicher durch die Kontrolle eilen. Das Personal geht dann offenbar davon aus, dass die Bratwürste dringend bestellt worden sind (es braucht ja einige), weicht zur Seite und kontrolliert gar nicht, ob die betreffende Person ein Ticket oder eine Zulassungsbewilligung hat.
Ob das allerdings auch in Mollis funktioniert, ist höchst ungewiss.
Die Idee der Armee sollte sein, dass man in schlimmen Situationen (Krieg, Hochwasser, Pandemie) seinen Mitmenschen hilft und nicht dass man kostenlos Grossevents unterstützt, während man dem Arbeitgeber fehlt.
An Tickets kommt man durch Beziehungen oder Gefälligkeiten, sonst eher schwierig.
Aber solange ja die Armee mit gratis Mannstunden beim Aufstellen hilft was solls.